SÃO PauLO, BRASILIEN

Urideias Geschichte ist eine Geschichte vom Suchen, der Suche nach ihrem Vater und der Liebe ihrer Mutter. Der Suche nach Identität, nach Anerkennung und nach Überleben. Und, um aus all dem herauszukommen, die Suche nach Fertigkeiten - und einem Job.

Urideia ist jetzt 19 Jahre alt. Sie wurde von ihrer Großmutter in Natal, im Nordosten Brasiliens, aufgezogen, ohne Mutter oder Vater.

Als sie zwei Monate alt war, ging ihre Mutter nach São Paulo, um dort als Haushaltshilfe zu arbeiten. Urideia sah sie nur selten. Aber den Mann, der ihr Vater sein sollte, sah sie jeden Tag – aus der Ferne. Er führte ein Restaurant direkt vor ihrer Schule. Oft sah sie auch, wie er seinen Sohn umarmte.

Mit 15 hatte sie endlich den Mut, das Restaurant zu betreten. Sie kann sich noch gut an die Unterhaltung erinnern.

„Entschuldigen Sie, ich würde gerne mit Ihnen sprechen. Ist das möglich?“
„Willst du Geld?“
„Ich bin gekommen, um Sie zu fragen, ob Sie mich als ihre Tochter anerkennen.“

Der Mann stand auf und schrie für alle hörbar: „Du bist nicht meine Tochter. Ich habe nur einen Sohn.“ Urideia verließ weinend das Restaurant. „Ich habe keine Mutter und keinen Vater.“

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Urideia fährt mit der U-Bahn zu ihrem Kochunterricht.

3000 Kilometer entfernt von diesem Restaurant, lebt Urideia seit drei, sehr schwierigen Jahren im Haus ihrer Mutter in den Slums von São Paulo. Sie kam um die „Liebe einer Mutter“ zu finden, aber stattdessen fand sie heraus, dass sie und Elsa einander nach 11 Jahren fremd geworden waren.

„Du hast mir nie die Liebe einer Mutter gegeben.“

„Liebe macht dich nicht satt“, antwortet ihre Mutter verärgert. Manchmal schwenkt der Ärger auch in Gewalt um.

Obwohl Urideia die weiterführende Schule beendet hat, war Babysitten in der Favela der einzige Job, den sie finden konnte. Und er brachte zu wenig Geld, um ihre Mutter zu unterstützen. Urideia wurde eine von Millionen arbeitslosen Jugendlichen in Brasilien.

Sie wusste, dass sie intelligent ist und absolvierte eine Aufnahmeprüfung für ein Wirtschaftsstudium an einer teuren privaten Universität. Sie wurde Dritte. Ohne weitere Erklärung teilte man ihr mit, sie sei nicht angenommen worden. Urideia glaubt, dass sie abgelehnt wurde, weil sie in ihrer Bewerbung geschrieben hatte, dass sie in der Favela Jaguare lebt.

Dann eines Tages lief sie in ihrer Favela an einem Plakat vorbei, auf dem Kochkurse angekündigt wurden.

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Während einer Kochstunde lernen die Schülerinnen und
Schüler Apfel für einen Kuchen zu zu bereiten

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Urideia zu Hause in der Favela nach ihrem Unterricht

Urideia absolvierte einen dreimonatigen Kochkurs bei Citizen Cook, einer NRO in der Mitte der Favela. Sie erlernte die Grundlagen des professionellen Kochens. Und darüber hinaus hat sie gelernt, im Team mit ihren Kollegen aus der Favela zu arbeiten.

Kochen ist ein Musterbeispiel für ein ideales Arbeitsleben. Es bietet eine klar definierte Führung, eine eindeutige Hierarchie und Arbeitsteilung. Die Bezahlung ist angemessen (sie bekommen ein Stipendium) und es gibt Anerkennung für ihr Können.

Urideia weiß nun, wie man ein Essen plant, dass man am besten schon im Morgengrauen zum Markt geht und dort die frischesten Zutaten auswählt. Sie weiß, wie man sie putzt, blitzschnell mit dem Messer schneidet, wie man Geschmäcker und Gerüche verbindet und wie man Essen stilvoll anrichtet.

Arbeit ist alles für Urideia – sie ist ihr Werkzeug, um der Armut zu entfliehen und ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Und sie ist ihre Identität: „Ich dachte, ich würde lernen, wie man eine Feijoada macht (ein berühmter Schwarze-Bohnen-Eintopf), aber was ich gefunden habe, war ein Ausweg.“

Sie hat den Traum, eines Tages ein eigenes Restaurant zu eröffnen, wo sie auch anderen eine Möglichkeit zum Arbeiten bieten kann. Und sie hat noch einen anderen Traum: Sie wird in einer Branche auftrumpfen, die ihr Vater zu würdigen weiß. Dann, an einem Morgen, wird sie sein volles Restaurant betreten und ihm zeigen, was sie alles erreicht hat.

Noch einmal wird sie sagen:

„Entschuldigen Sie, ich würde gerne mit Ihnen sprechen! Ist das möglich?“

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Urideia eilt durch die Küche. Sie hat einen Desseert für
ihren Unterricht fertig gestellt.

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"Chasing the Dream" tourt durch Deutschland - und erfährt dabei prominente Unterstützung u.a. von CULCHA CANDELA, MIA und Markus Kafka (MTV):

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